Die USA sind vom Pariser Übereinkommen zurückgetreten. Genau das wird dafür sorgen, dass die praktische Umsetzung klimaschützender Maßnahmen weltweit endlich Fahrt aufnehmen kann.
Donald Trump ließ sich nach seiner ersten Reise ins verwirrende Ausland eine ganze Woche Bedenkzeit. Von seinen säbelrasselnden Waffenfreunden in Saudi-Arabien über Israel, wo er lässig seine Ankunft aus dem „Mittleren Osten“ verkündet, zum Beschimpfen der NATO nach Brüssel und weiter nach Sizilien.
Ach ja, und dann war da noch der Papst, der ihm seine zweite Lehrschrift „Laudato si“ über den Umwelt- und Klimaschutz mit auf den Weg gab. „Ich werde sie lesen“, so der US-Präsident. Sicher, solange sie ihn nicht vom Fernsehen abhält.
So viel Bedenkzeit war nicht weiter verwunderlich, so die EU-Verhandlungsführerin Dieschbourg, schließlich habe der US-Präsident den Klimavertrag wohl „nicht verstanden“. Schon während des Gipfels gerät der US-Präsident an die Grenzen seiner intellektuellen und körperlichen Kapazitäten. In Taormina muss er noch einen abschließenden Termin zum Gruppenfoto schaffen – 700 m entfernt –, und Trump fordert einen Golf-Buggy für die Distanz. Dass die anderen am Ziel so lange auf ihn warten müssen – eine seiner ausgesuchten Überlegenheitsgesten. Außerdem lässt er sich doch ganz modern elektrisch durch die Gegend wuchten. Die Klimabilanz: Trotzdem negativ, alle anderen schaffen es zu Fuß.
Trotzdem verwundert der einwöchige Trommelwirbel bis zur Entscheidung. Die Themen liegen seit Jahren auf dem Tisch, es bleibt rätselhaft, wer dem Präsidenten innerhalb einer Woche noch die Details des Abkommens erklären kann.
Wenig verwunderlich also verkündet Trump also eine Woche später, was jeder von ihm erwarten konnte: Den Rücktritt vom Pariser Übereinkommen. Das ist gut so. Wir können aufhören, den Atem anzuhalten. Der Zug kann endlich Fahrt aufnehmen.
Denn wie sich zeigt, ist es genau diese Provokation, die den Wandel möglich macht. Viel zu viele Jahre hat die Welt auf die Vereinigten Staaten gewartet, sich zu bewegen. Allzuviel Zeit für eine Welt, deren Zeit davonläuft. Allzuviel Rücksicht auf ein technologisch rückständiges und ideologisch aufgeladenes Land, das nicht in Gang kommen kann.
Schon zu Beginn seiner Amtszeit widerlegte der Präsident für den Wandel Obama („Change“) seine Eignung, diesen Wandel in Gang zu setzen. Sein Motto „Yes we can“ wandelte sich schnell in ein vehementes „No, we can’t“, als es um die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls in Kopenhagen ging.
Fortschrittsbremse Großbritannien als Beispiel
Es ist ein wenig wie beim Brexit. Der Brexit ist eine gute Nachricht für die Europäische Union, weil die Briten zu keiner Zeit für die Weiterentwicklung der europäischen Idee standen als für die eigennützige Teilnahme am europäischen Markt. Gerade einmal elf Jahre nach ihrem Beitritt wollten die Briten unter Margaret Thatcher schon ihr „money back“.
Als Wachhund der Vereinigten Staaten wirkte Großbritannien schon von Beginn an als Verhinderer einer zu großen europäischen Eigenständigkeit. Ihr Versuch, eine Art Gegen-EG zu gründen (EFTA) blieb zum Glück erfolglos. Später erwirkte Premier Edward Heath allerdings das Veto-Recht für alle Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Entsprechend unbedeutend ist sie bis heute.
Der Brexit ist also eine große Chance für die EU, endlich ihr wirtschaftliches und politisches Potential zu entfalten. Die Möglichkeit ist endlich da, sich in Richtung einer modernen Hanse zu entwickeln. Ungetrübt durch die halbherzige Mitgliedschaft Großbritanniens als williger Vorposten der Amerikaner erhebt sich nun stolz und unabhängig die Stimme der Demokratie aus Europa.
Die Wetteraussichten: gut
Eine Woche später also tritt Trump am 01. Juni 2017 vor die Kameras im Garten des White House, und ab hier nimmt die Geschichte übers Klima ihren guten Wandel. „Ich wurde gewählt, die Bürger von Pittsburgh zu vertreten, nicht die von Paris.“, behauptete er.
Ab hier wurde es vielen zu bunt. Fast sofort feuerte Pittsburghs Bürgermeister Bill Peduto auf Twitter zurück, er und seine Stadt stehen sehr wohl hinter dem Pariser Abkommen „… für unsere Bürger, die Wirtschaft und für die Zukunft.“
Noch am selben Tag veröffentlicht eine Allianz von 187 Climate Mayors ein Gegenstatement auf Medium. Stellvertretend für 57 Mio. US-amerikanische Bürger stellen sie sich hinter die Klimaziele des Pariser Abkommens – unter anderem mit der Absicht, die Nachfrage nach Elektroautos für ihre Kommunen zu fördern. Laut eigener Aussage freuen sie sich über regen Zustrom weiterer Bürgermeister.
Ebenfalls am selben Tag tritt der Tesla-Unternehmer Elon Musk aus dem Beratergremium Trumps zurück. Ob aus enttäuschten Erwartungen über seine eigene politische Förderungsagenda oder aus Empörung über so viel Inkompetenz sei dahingestellt. Er hinterlässt eine Mannschaft, die damit noch hirntoter ist als zuvor. Auch das ist eine gute Nachricht. Denn die Entlarvungsgeschwindigkeit von Team Trump in der Öffentlichkeit nimmt mit jedem schwindenden Berater weiter zu.
Die Geschäftsaussichten: sonnig
Über sein Geschäftsmodell muss er sich dabei keine Sorgen machen. Nun werden sich die vielen Gemeinden nicht ausgerechnet Tesla-Busse zulegen, die es (noch) nicht gibt, seine Solar-Fertigdächer sind aber sehr wohl ein attraktives Angebot auch für öffentliche Einrichtungen.
Einen Tag nach Trumps Verkündigung, die nicht nur in seinem Sinne vollkommen unsinnig ist, steigen die Kurse unter anderem der Siemens-Aktie. Die Aktionäre scheinen zu ahnen, dass die Aussichten für Erneuerbare Energien weltweit jetzt rosig sind.
Denn anders als Trump hat die Welt der Geschäftsleute, die richtige Dinge herstellen, längst verstanden, dass nur nachhaltige Geschäftsmodelle langfristig aussichtsreich sind. Trump hat jetzt allerdings überdeutlich gemacht, wie abgehängt große Teile der USA inzwischen sind, und wie groß der Aufholbedarf ist.
Ebenso überdeutlich ist der monumentale Erfolg einzelner US-amerikanischer Unternehmen wie Apple. Greenpeace sieht Apple heute als deutlichen Sieger unter allen Tech-Companys im Einsatz Erneuerbarer Energien. Dazu kommt Apples Plan, „to stop mining altogether“, seine Produkte also eines Tages ausschließlich aus Recycling-Materialien herzustellen.
Der mit Abstand wirtschaftlich erfolgreichste Bundesstaat der Vereinigten Staaten ist Kalifornien. Wäre es ein eigenes Land, wäre es die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt. Gleichzeitig ist Kalifornien der Bundesstaat, der als erster scharfe Umweltschutzgesetze eingeführt hat. Diesen Vorsprung holt man mit noch stärker rauchenden Schloten nicht auf. Selbstverständlich gehört unter anderem Los Angeles zu den Climate-Mayor-Städten.
Trump ermöglicht ein unverwässertes Klimaabkommen
Der amerikanische Präsident befindet sich nun in der etwas einsamen Gesellschaft der Staatslenker von Nicaragua und Syrien. Auch sie halten nichts vom Pariser Abkommen. Alle anderen haben verstanden, wie bedeutsam die Maßnahmen gegen den Klimawandel sind. Alle anderen haben verstanden, dass klimaschädigendes Verhalten keinen wirtschaftlichen Vorteil bringt.
Die erfolgreichsten Wirtschaftsteilnehmer der Welt unter anderem in der Eurozone und auch innerhalb der Vereinigten Staaten selbst liefern Tag für Tag den Beweis. Auch die Chinesen, die Trump ja in seinem großartigen Tweet für die Erfinder des Klimawandels hält, und Indien sind mit an Bord.
Und die aufgeklärten Stimmen der Vereinigten Staaten sagen: „Jetzt erst recht!“
Das beste allerdings ist, das Pariser Klimaabkommen muss nicht zu Lasten eines halbgebildeten US-Präsidenten noch weiter unnötig verwässert werden. Der Rest der Welt singt: „Yes, we can!“
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