Ein längst überfälliger Beitrag über intelligente Kühlschränke und über lauter andere Sachen, die hier nicht hingehören. Aber auch über das Internet der Dinge und CMoT – das Content Marketing of Things.
Wer über das Internet der Dinge spricht, der muss zuerst an seinen Kühlschrank denken. So ist das jedenfalls seitdem darüber geredet wird. Ich denke oft an meinen Kühlschrank, besonders seit mir klar wird, wie langweilig ihm sein muss. Er hat zur Zeit keinerlei Kontakt zur Außenwelt, und mein Kontakt zu seiner Innenwelt ist immer nur dann von Wärme geprägt, wenn er kaputt ist. Dass dieser Zustand auf Dauer unhaltbar ist, liegt auf der Hand. Deshalb hat man für meinen Kühlschrank das Internet der Dinge erfunden.
Natürlich stimmt das nicht so ganz. Als Industrie 4.0 gilt das Internet der Dinge (auf Englisch heißt das Internet of Things und wird mit IoT abgekürzt) bereits als nächste grundlegende industrielle Revolution. In der Logistik und der Produktion organisieren sich lauter Abläufe deshalb neuerdings wie von selbst. Aber eben noch nicht in meinem Kühlschrank, und da soll doch nun auch – so hört man seit Jahren – alles neu und revolutionär werden. Wird es auch. Und da es mein gesamtes Leben umkrempeln wird, sogar meinen Beruf, mache ich mir rechtzeitig Gedanken.
Es gibt heute schon einen Kühlschrank, der macht einen Schnappschuss von seinem Inhalt, immer wenn man die Tür schließt. Die Bilder schickt es mir dann aufs Handy. Wenn ich einkaufen gehe, dann reicht ein Blick aufs Foto, und schon weiß ich: Die Ecke, wo immer die angebrochene Marmelade steht, ist leer. Vorausgesetzt, auf dem Bild ist auch alles von oben bis unten gut zu erkennen. Dafür hat dieser intelligente Kühlschrank gleich mehrere Kameras eingebaut.
In Zukunft gilt also: Gleichgültig wie bisher die flache Packung Lachs auf die ebenso flache Packung Serrano stapeln, das geht so nicht mehr. Dann sehe ich, wenn ich im Supermarkt aufs Foto schiele nur, dass sich irgendwo Sachen stapeln. Erst wenn ich alles sehr intelligent und übersichtlich gestapelt kriege, ist das Foto auch aussagekräftig. Aha, jetzt habe ich nur noch missverstanden, was es mit der Intelligenz des Kühlschranks auf sich hat. Denn intelligent stapeln kann er vermutlich nicht.
Und so richtig intelligent kommt mir das mit den Fotos nun auch nicht vor. Das kann man zur Not auch selber basteln. Stattdessen wird das IoT in vielen Jahren so sein, wie ganz viel Internet mit ganz viel Rohrpost. Dafür ist noch ganz viel Infrastruktur nötig, und die wird es auch in zehn Jahren erstmal in den tollsten Großstädten mit großen Absatzmärkten geben. Der Kühlschrank erkennt, keine Butter und kein direkt gepresster Saft mehr, und dann bestellt er nach. Ein schlürfendes Geräusch, dann zweimal „Fumpp!“ signalisieren mir, es gibt neue Ware. Dann noch „Fumpp!“, das T-Bone-Steak, „Fumpp!“, ein Brokkoli. Woher ich das weiß? Weil die Kühlschrank-App es mir sagt. „Schöne Grüße aus dem Gemüsefach!“ oder so schrieb der Texter der App in die Push-Mitteilung auf dem Handy. Die ersten Modelle intelligenter Kühlschränke wackeln noch etwas, wenn die Ware eintrifft. Dann ist auch der Brokkoli oft etwas mitgenommen. Das muss man alles noch lösen.
Vielleicht bietet Edeka diese Kühlschränke an, die aber auch nur bei Edeka einkaufen können. Und dann bauen sie auch die Rohre durchs Haus. Aber das wäre nicht wirklich intelligent. Besser wäre ein preis- und qualitätsüberwachender Kühlschrank, einer, der auch mal was Überraschendes einkauft. Dafür müsste er netzneutral sein, oder wie man das dann nennt. Und dann kommt wieder nur die Gemüsekiste, wie heute schon, und ich muss alles selbst einsortieren? Vielleicht kommt sie per Drohne, und die Drohne räumt auch ein. Der Kühlschrank der Dinge wird also drohnenfreundlich sein. Man muss nur rechtzeitig den Kopf einziehen, wenn sie zur Tür reinkommt.
Mein intelligenter Kühlschrank der Zukunft wird viele Freunde haben. Er wird sich über ein Kühlschrank-Protokoll darüber austauschen, was andere Kühlschränke so haben. Das ergibt dann einen demografischen Hinweis, aus dem er schließen kann, in welcher Wohnlage er steht. Das ist wichtig für seine künstliche Intelligenz, die ja beurteilen können muss, ob er eher Dry-Aged-Beef für mich bestellen soll oder noch mehr Fertigpizzen, wie andere in seinem Umfeld Gleichgekühlter.
Was mein Kühlschrank beherbergt, das wird ganz sicher auch noch andere Institutionen interessieren, wie zum Beispiel meine Bank. Seltene Rohmilchkäse zu lagern beeinflusst meinen Kreditscore mit Sicherheit ganz anders als literweise Discounter-Cola. Es ist also eine gute Idee, meinem Kühlschrank in der Trainingsphase, in der er meine Gewohnheiten erlernt, regelmäßig an den Dom Perignon zu denken, auch wenn ich mir wenig aus Champagner mache. Oder nein, das könnte auch als verschwenderisch ausgelegt werden. Biomilch tut’s sicher auch, und sie versaut mir nicht per künstlicher Kühl-Intelligenz den Ruf.
Jedenfalls wird der strategische korrekte Einkauf immer wichtiger. Ich stelle mir vor, dass man das als Mensch dem Schrank ein paar Monate so vormacht, und dann drückt man auf einen Knopf, und der Kühlschrank macht ab dann alles von selbst. Dann muss ich mir sicher sein, dass alles rund läuft. Die NSA will ja schließlich auch wissen, was in meinem Kühlschrank vorgeht. Seit vielen Jahren lässt sie sich schon von allen Fluggesellschaften übermitteln, was ich so an Bord gegessen habe. Das ist für die Aufklärung von Terroranschlägen unerlässlich. Mein Kühlschrank der Zukunft sieht also so aus: Nicht schädlich fürs Kreditgeschäft und gänzlich terrorfrei.
Aber ich habe ja auch selbst etwas davon. Per Fernüberwachung und den vielen Kameras erkenne ich schon im Supermarkt, ob in meinem Kühlschrank vielleicht ein Syrer sitzt. Denn die essen ja nicht nur unseren Wohlstand, sondern – das wird jeder ganz bald am eigenen Haushalt bemerken – auch unser aller Essen auf. Aber darum kümmert sich ja schon die AfD. Die haben ausgewiesene Experten für Syrer im Kühlschrank, und wenn die jetzt überall mitregieren, muss ich mir darüber wohl keine eigenen Gedanken mehr machen.
Und der Kühlschrank kann noch mehr. Denn das pädagogische Potenzial ist damit lange nicht ausgeschöpft, wenngleich wünschenswert. Ein wenig wünsche ich mir ihn wie eine miesepetrige Matrone, die mir nach dem Pizza-Exzess der letzten Woche eine Extradosis Brokkoli verschreibt. Einfach so. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt, und was auf den Tisch kommt, das kommt aus dem Kühlschrank, und was in den Kühlschrank kommt, das bestimmt er selbst. Keine Widerrede. Er hat sich inzwischen nämlich schlau gemacht. Ab und an soll der Mensch Brokkoli aufessen, das hat er irgendwo gelesen. Er soll ungefähr so gesund sein wie Strom, so hat er sich das erklärt als intelligenter Teilnehmer am Internet der Dinge.
Irgendwann werden Kühlschränke so schlau, dass sie nur noch relevante Dinge einkaufen. Mein Kühlschrank, so stelle ich mir das vor, hat ja nicht so einen 08/15-Computer eingebaut oder einen billigen Raspberry Pi. Ein neuronales Netz werkelt in seinem Innern. Sonst wäre er ja auch nicht wirklich intelligent. Bei neuronalen Netzen ist das anders. Inzwischen gewinnen sie ja sogar Go-Partien gegen Weltmeister. Go soll noch mehr Kombinationen haben als Schach, jedenfalls steht das überall.
Das jedenfalls ändert alles. Auch meinen Job. In Zukunft ist der Adressat für die Haushaltsplanung nicht mehr der Mensch, sondern der Kühlschrank. Interessanter Ausblick. Damit wird sich das Marketing, sofern es sich mit kühlbaren Waren beschäftigt, mich in Zukunft komplett ignorieren. Funktioniert eh nicht mehr. Ich schmeiße die Aldi-Beilagen alle weg und Banner klicke ich nicht. So wie alle anderen. Deshalb denken sich jetzt alle Content-Marketing-Strategien aus. Ich auch. Weil sie, mehr als alles Andere bei mir verfangen können. Aber auch das ist nun anders. Ich bin nicht mehr der richtige Adressat. Ich kaufe nicht mehr ein. Also muss was Neues her: Das Content Marketing of Things (CMoT).
CMoT hat die Aufgabe meinem Kühlschrank mit nützlichen Informationen (zum Beispiel über Brokkoli) bei schlauen Entscheidungen zu helfen, damit ich als Kühlschrank-Kunde nicht sauer werde und mir wieder einen unintelligenten Kühlschrank zulege. Da das (zum Beispiel beim Brokkoli) schnell mal schiefgehen kann, braucht es noch schlauere CMoT-Kampagnen. Edeka könnte meinen Kühlschrank zum Beispiel darüber aufklären, was es mit dem Kochen bei Menschen auf sich hat, und dass sie nicht nur kalte Speisen mögen, sondern auch warme. In interessanten Kombinationen und raffinierten Zubereitungsarten. Und dass man entsprechend einkaufen muss.
Ich gebe dem Kühlschrank außerdem ein Haushaltsdiktat vor. Damit soll er aber nicht überall nur Billigkram einkaufen, sondern möglichst hochwertige Sachen fürs Geld. Darüber muss er sich schlau machen. Mithilfe von CMoT lernt er zudem mit der Zeit selbstständig und überrascht mich mit Meldungen wie dieser auf meinem Handy. „Ich habe mitbekommen, dass Du morgen für drei Wochen in Urlaub fährst. Deshalb habe ich nichts eingekauft. Am besten machst Du Dir die frischen Ravioli – sie sind noch drei Tage haltbar. Schneid (diese Art von Intelligenz würde mich wirklich beeindrucken!) Dir noch den Rest Rucola drüber, das ist lecker, und dann ist er auch alle. Die Bio-Milch hast Du eh nur für die NSA und die Bank, also kipp sie in den Ausguss. Das ist aus verschiedenen Gründen nicht in Ordnung, aber Du wirst schon wissen, was Du tust. Besser wär’s, Du schenkst sie noch heute Deinen Nachbarn – das hättest Du imho (meiner bescheidenen Meinung nach) schon vor zwei Wochen getan. Die Milch hält aber noch ein paar Tage.“
Ja, ich glaube, so könnte es gehen.
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