Es ist ein altes Stück Gazellenhaut, das von unbekannten Welten kündet. Wir sehen darauf das gesammelte Wissen vergangener Erkundungsfahrten von Seeleuten, die niemand mehr benennen kann. Wir sehen darauf nicht, wer diese Entdeckungen machte und auch nicht wann, aber wir sehen eine Karte, die das ganze Südamerika von der Arktis bis hinauf in die Karibik zeigt mitsamt der dort lebenden Tiere und Flussläufe, die tief ins Land hineinreichen. Diese Karte ist der einzige erhaltene Teil einer Mappa Mundi, einer Weltkarte von 1513, und gezeichnet hat sie der osmanische Flottenadmiral Piri Ibn Haji Mehmed, genannt Reis, nach seinem osmanischen Admiralstitel (re-is). Dank seiner herausragenden Stellung hatte er Zugang zur Bibliothek des Sultans im Topkapi-Palast in Istanbul. Dort fand er, wie er selbst sagt, altes Kartenmaterial, das er für seine eigene Karte neu zusammenfügte. Erhalten ist heute nur noch ein Fragment, eben jener Teil, der die Karibik und die südamerikanische Küste nur 11 Jahre nach Kolumbus ungewöhnlich detailliert zeigt und mit zahlreichen handschriftlichen Bemerkungen und Abbildungen versehen ist. Es ist nicht bekannt, welcher Quellen sich Piri Reis bediente, aber es gibt die Theorie, dass sein Material aus deutlich vorkolumbianischer Zeit stammt. Piri Reis war selbst nie in Amerika und wurde anders als viele Entdeckungsfahrer, die ihr Leben aufs Spiel setzten, und deren Material er sammelte, sehr alt. Allerdings endete auch sein Leben recht abrupt: Er wurde 1554 oder 1555 öffentlich enthauptet – im Alter von 90.
Dieser Text erschien auf dem Weg über den Atlantik nach Amerika.